party
Jetzt neu in der App: Lernkarten zu Fachthemen & Lernvideos von Fachexperten
Allgemein
Pflegefachwissen

Neue Pflegepersonalbemessung: Was kommt jetzt?

Das Nachhaltigkeitsproblem der Pflege

Die Pflege – beziehungsweise die Pflegeversicherung – hat ein Nachhaltigkeitsproblem. Zunächst ist da die demographische Entwicklung. Es gibt immer mehr alte – und damit absehbar pflegebedürftige – Menschen, gleichzeitig haben wir immer weniger Erwerbstätige. Die Qualitätsansprüche an die Pflege sind spätestens seit 2017 mit der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs gestiegen, während die strukturellen Voraussetzungen gleich geblieben sind. Pflegende haben häufig ein hohes Arbeitsethos, aber die Arbeitsumgebung ist auf Verschleiß ausgerichtet, was zu einer konstanten Überforderung der Pflegenden führt – die so langfristig aus dem Beruf aussteigen, da sie ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht werden können. Und nicht zuletzt beruht die Finanzierung immer noch auf bedarfsunabhängigen Leistungspauschalen, während die Preise kontinuierlich steigen.

Die vermutlich größte soziale Frage der 2020er Jahre ist es also, genug Pflegekräfte für eine qualitativ hochwertige Pflege zu gewinnen. Das schaffen wir nur durch eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, das heißt, wir brauchen mehr Personal und eine verlässliche Arbeitsorganisation. Auch bessere Bezahlung und eine Digitalisierung der Kernprozesse sind wesentlich.

Fachkraftanteil von 50 Prozent nicht bedarfsgerecht

Um die Voraussetzungen zur Entwicklung eines einheitlichen Personalbemessungsverfahrens zu schaffen, wurde zunächst die Ist-Situation beim Personaleinsatz analysiert. Dafür wurden Pflegeeinrichtungen in ganz Deutschland besucht, die Daten der Bewohner:innen erfasst und eine Woche lang in jeder Einrichtung alle Pflegehandlungen dokumentiert und ausgewertet. Die Analyse ergab, dass im Durchschnitt 36 Prozent mehr Personal benötigt wird, das entspricht 115.000 Vollzeitäquivalenten. Nach Qualifikationsniveau bedeutet das, es fehlen vor allen Pflegeassistenzkräfte (69 Prozent) und nur 3,5 Prozent Pflegefachkräfte.

Die bisher geltende Fachkraftquote von 50 Prozent ist also nicht bedarfsgerecht. Vielmehr muss sich die Personalstruktur einer Einrichtung an den Pflegegraden der Bewohner:innen orientieren.

PeBeM: Was ändert sich ab 01.07.2023?

Ab Juli 2023 gilt eine bundeseinheitliche Personalobergrenze. Als Untergrenzen gelten nach wie vor die bestehenden Werte, für die weiterhin die Fachkraftquote von 50 Prozent gilt. Für die darüber hinausgehenden Personalanhaltswerte gilt diese Fachkraftquote dann nicht mehr.

Die Empfehlung ist also, die Fachkraftquote von 50% zukünftig nicht mehr auf das gesamte Personal anzuwenden, sondern auf das konkret festgelegte Mindestpersonal. So kann eine heimindividuelle bedarfsgerechte Qualifikationsstruktur aufgebaut werden. Das quantitative Mehr an Personal ist aber nur eine Voraussetzung für qualitativ hochwertige kompetenzorientierte Pflege.

Die andere ist die Veränderung der Arbeitsorganisation. Aktuell ist die tägliche Arbeitsorganisation in stationären Einrichtungen auf die Kompensation von zu wenig Personal ausgerichtet. Das PeBeM ermöglicht die Veränderung der bestehenden Arbeitsorganisation, so dass bestehende und neue Mitarbeiter:innen entsprechend ihrer Qualifikation und ihrer Kompetenzen eingesetzt werden, um so möglichst häufig eine bedarfsgerechte Pflege zu ermöglichen.

Warum ist die Personalbemessung für die Sicherung des Pflegesystems wichtig – gerade weil nicht alle Stellen direkt besetzt werden können?

Das Personalbemessungsverfahren ist ein erster Schritt zur nachhaltigen Entwicklung der Pflege. Noch sind die Rekrutierung und der refinanzierte Einsatz von Mehrpersonal keine Verpflichtungen, sondern eine Möglichkeit. Diese bildet auf Strukturebene die Voraussetzung für bessere Arbeitsbedingungen, während eine qualifikationsdifferenzierte Arbeitsorganisation Über- und Unterforderung reduziert und die Planbarkeit erhöht.

All das kann nicht nur Pflegende überzeugen, im Beruf zu bleiben, sondern auch Nachwuchskräfte für die Pflege begeistern.

Wieso ist qualifikationsdifferenzierte Arbeitsorganisation keine Funktionspflege – und wie ermöglicht sie eine ganzheitliche Pflege?

Der grundlegende Unterschied ist, dass sich die Funktionspflege ausgehend von einem Organisationsprinzip passende Bedarfe sucht, während die qualifikationsdifferenzierte Arbeitsorganisation bei den Bewohnerbedarfen ansetzt und die Organisationabläufe daran ausrichtet.

Ganzheitlichkeit bezieht sich auf die Bewohner:innen als holistisches Wesen, nicht auf die Leistungserbringung. Demnach bedeutet ganzheitliche Pflege nicht, dass alles aus einer Hand erbracht wird – sondern aus der Richtigen.

Warum sind die Kompetenzen der Pflegenden zentral – auch wenn primär von Qualifikationen gesprochen wird?

Qualifikationen sind erworbene Zertifikate, die von einem definierten Kompetenzenbündel ausgehen. Die Praxis zeigt aber, dass das bei individuellen Pflegekräften mehr oder weniger gegeben sein kann.

Nur das Wissen um die vorliegenden Kompetenzen zeigt, welche Kräfte ihrer Qualifikation entsprechend eingesetzt werden können, welche Personen individuellen Schulungsbedarf haben – oder wer durch höhere Kompetenzen schon auf dem Weg für eine Weiterqualifikation ist